Ort der Lieferung in ein Konsignationslager
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 6, Abs. 7, § 17 Abs. 2 Nr. 11.Für die Lieferortbestimmung nach § 3 Abs. 6 UStG muss der Abnehmer bereits bei Beginn der Versendung feststehen. Eine Versendungslieferung kann dann auch vorliegen, wenn der Liefergegenstand nach dem Beginn der Versendung für kurze Zeit in einem Auslieferungslager gelagert wird.
2.Vereinbaren die an einem Leistungsaustausch Beteiligten rechtsirrtümlich die Gegenleistung ohne Umsatzsteuer, ist der vereinbarte Betrag in Entgelt und darauf entfallende Umsatzsteuer aufzuteilen.
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Tenor:
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des FG Düsseldorf v. 6.11.2015 – 1 K 1983/13 U, DStRE 2016, 1249, die Einspruchsentscheidung des Beklagten v. 13.5.2013, die Umsatzsteuerbescheide 2005 bis 2010 v. 6.1.2012 sowie die jeweils dazu ergangenen Zinsbescheide 2005 bis 2009 aufgehoben. Die Umsatzsteuer wird unter Abänderung der Umsatzsteuerbescheide 2005 bis 2010 des Beklagten v. 6.1.2012 auf den Betrag festgesetzt, der sich ergibt, wenn die von der Beigeladenen gezahlten Beträge in die (Netto- )Bemessungsgrundlage und die Umsatzsteuer aufgeteilt werden. Die Zinsfestsetzungen werden unter Änderung der Bescheide 2005 bis 2009 v. 6.1.2012 insoweit herabgesetzt, als Zinsen nur auf die herab gesetzte Umsatzsteuer erhoben werden. Die Berechnung der Steuer und der Zinsen wird dem Beklagten übertragen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die Klägerin zu 4/5 und der Beklagte zu 1/5 zu tragen.
Sachverhalt:
1I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob über ein sog. Konsignationslager ausgeführte
Lieferungen der in den Niederlanden ansässigen Klägerin, Revisionsklägerin und
Revisionsbeklagten (Klägerin) an die im Inland ansässige Beigeladene in der Bundesrepublik
Deutschland (Deutschland) steuerbar und steuerpflichtig sind oder in den Niederlanden
steuerbare, aber steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferungen darstellen.
2Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft niederländischen Rechts (B.V.) mit Sitz in den
Niederlanden. Gegenstand ihres Unternehmens ist der Entwurf, die Herstellung und der
Vertrieb von Computern, der Handel mit Computern, elektronischen Produkten, Zubehör und
Peripheriegeräten sowie die Erteilung von Dienstleistungen in diesem Zusammenhang.
3Die Klägerin ist Geschäftspartnerin der Beigeladenen, einer Großhändlerin der Informations-
und Kommunikationstechnologie mit Sitz in Deutschland. In den Streitjahren (2005 bis 2010)
lieferte die Klägerin Waren (Bildschirme) an die Beigeladene. Die Waren wurden dabei von der
Klägerin aus den Niederlanden in ein auf dem Betriebsgelände der Beigeladenen befindliches
Konsignationslager verbracht. Grundlage war ein zwischen der Klägerin und der Beigeladenen
getroffenes „Consignment Distribution Agreement“ (CDA) v. 14.4.2003. Die Beigeladene war
gemäß des CDA verpflichtet, den von der Klägerin angelieferten Konsignationsbestand in einem
gesonderten von ihr betriebenen Lager zu lagern, zu dem allein die Beigeladene Zugang hatte.
Die Klägerin war nur nach einer angemessenen Vorankündigung berechtigt, das Lager zum
Zwecke einer Inventur zu betreten. Die Beigeladene war dazu berechtigt, den
Konsignationsbestand im Rahmen des üblichen Geschäftsbetriebs an ihre Kunden zu veräußern.
Die Klägerin blieb solange Eigentümerin des Konsignationsbestandes, bis die Beigeladene der
Klägerin – einmal wöchentlich – eine Aufstellung des in der Vorwoche an ihre Kunden
verkauften Konsignationsbestandes übermittelt hatte. Der Verkaufspreis der Klägerin an die
Beigeladene wurde an dem Tag, an dem die Beigeladene den Konsignationsbestand
weiterveräußerte, bestimmt. Der Konsignationsbestand wurde von der Beigeladenen bei der
Klägerin auf Grundlage der gemeinsam vereinbarten Einlagerungsrichtlinien bestellt. Die
Klägerin war verpflichtet, den Konsignationsbestand mindestens drei Wochen im Lager zu
belassen; nach Ende dieses Zeitraumes war die Beigeladene berechtigt, den gesamten Bestand
oder einen Teil davon an die Klägerin zurückzusenden.
4Die Klägerin behandelte die Veräußerungen an die Beigeladene als in Deutschland nicht
steuerbar und erklärte diese in den Niederlanden als steuerfreie innergemeinschaftliche
Lieferungen. Damit korrespondierend erklärte die Beigeladene innergemeinschaftliche Erwerbe
in entsprechender Höhe in Deutschland und zog die darauf entfallende Umsatzsteuer als
Vorsteuer ab.
5Dem folgte der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das FA) nicht und
behandelte in den geänderten Umsatzsteuerbescheiden 2005 bis 2010 v. 6.1.2012 die
Lieferungen der Klägerin an die Beigeladene als steuerbar und steuerpflichtig und setzte
Nachzahlungszinsen fest. Der Einspruch war erfolglos.
6Die Klage hatte insoweit Erfolg, als das FA die Bemessungsgrundlage der von der Klägerin an
die Beigeladene ausgeführten Lieferungen nicht um die Umsatzsteuer, die in den
vereinnahmten Beträgen enthalten war, gemindert hatte. Im Übrigen wies das FG die Klage mit
seinem in EFG 2016, 234 = DStRE 2016, 1249 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab.
7Soweit die Klägerin sich gesondert gegen die Festsetzung von Nachzahlungszinsen wende, sei
die Klage schon mangels fristgemäß eingelegten Einspruchs unbegründet.
8Auch im Übrigen sei die Klage im Wesentlichen unbegründet, weil die Lieferungen am Ort des
streitgegenständlichen Konsignationslagers in Deutschland ausgeführt worden seien. Bei dem
Transport der Waren aus den Niederlanden in das deutsche Konsignationslager habe es sich
nicht um eine Beförderung oder Versendung an den Abnehmer iSv § 3 Abs. 6 S. 1 UStG in der
in den Streitjahren geltenden Fassung gehandelt, sondern um ein in den Niederlanden
steuerbares, aber steuerbefreites innergemeinschaftliches Verbringen, das mit einem in
Deutschland steuerbaren und steuerpflichtigen und zum Vorsteuerabzug berechtigenden
innergemeinschaftlichen Erwerb der Beigeladenen korrespondiere. Erst mit der Veräußerung
der in dem Konsignationslager befindlichen Ware durch die Beigeladene an ihre Kunden sei eine
zeitgleiche Lieferung der Klägerin an die Beigeladene am Ort des Konsignationslagers erfolgt.
9Das Verbringen von Ware in ein Konsignationslager führe nur dann zu einer am Ort des
Beginns der Beförderung oder Versendung erfolgenden Lieferung an den Abnehmer, wenn der
Abnehmer die Ware zum Zeitpunkt des Beginns der Beförderung oder Versendung in das
Konsignationslager bereits verbindlich bestellt habe.
10Der Klage sei aber im Umfang der in den von der Klägerin vereinnahmten Beträgen
enthaltenen Umsatzsteuer stattzugeben, denn Bemessungsgrundlage sei der vereinnahmte
Nettopreis abzüglich der Umsatzsteuer. Denn aufgrund des Irrtums über die Steuerpflicht der
Lieferungen sei das vereinbarte Entgelt teilweise uneinbringlich iSv § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG
geworden.
11Hiergegen haben sowohl die Klägerin als auch das FA Revision eingelegt.
12Die Klägerin trägt vor, § 3 Abs. 6 UStG knüpfe zwar an eine konkrete Lieferung an, aus dem
Wortlaut, der systematischen Stellung, der Entstehungsgeschichte und dem Zweck der Norm
ergebe sich aber, dass es für die Anwendung der Lieferortfiktion nicht auf den Zeitpunkt der
Lieferung ankomme; diese könne der Beförderung oder Versendung auch vor- oder
nachgelagert sein. Für die tatbestandliche Verknüpfung der Lieferung mit der Beförderung oder
Versendung sei es ausreichend, dass der Gegenstand der Lieferung mit dem Gegenstand der
Beförderung oder Versendung identisch sei. Eine zeitliche Verknüpfung von Beförderung oder
Versendung einerseits und Lieferung andererseits sehe § 3 Abs. 6 UStG nicht vor. Ob und zu
welchem Zeitpunkt eine Lieferung vorliege, sei vielmehr in § 3 Abs. 1 UStG geregelt.
13Das entspreche auch Sinn und Zweck von § 3 Abs. 6 UStG, der darin bestehe, die
Umsatzbesteuerung von grenzüberschreitenden Warenlieferungen zu vereinfachen. Durch die
einheitliche Festlegung eines Lieferorts für sämtliche Beförderungs- und
Versendungslieferungen werde es dem Unternehmer ermöglicht, die umsatzsteuerrechtliche
Abwicklung unabhängig vom Bestimmungsland in seinem Heimatland vorzunehmen.
14Selbst wenn man demgegenüber von der Notwendigkeit eines im Zeitpunkt der Beförderung
oder Versendung bereits ausgeführten Umsatzgeschäftes ausgehe, sei diese Voraussetzung
vorliegend erfüllt. Denn durch die Konsignationsvereinbarung sei die Beigeladene befähigt
gewesen, wie ein Eigentümer frei über die Konsignationsware zu verfügen. Die Beigeladene
habe die Gefahr des Untergangs oder der Beschädigung der Konsignationsware getragen und
folglich mit der Einbringung der Waren in das Konsignationslager Verfügungsmacht daran
erlangt.
15Die Klägerin beantragt, (1) unter teilweiser Aufhebung des FG-Urteils die
Umsatzsteuerbescheide 2005 bis 2010 v. 6.1.2012 und die Einspruchsentscheidung v. 13.5.2013 mit der Maßgabe zu ändern, dass die
Umsatzsteuer um ... € für 2005, ... € für 2006, ... € für 2007, ... € für 2008, ... € für 2009 und
... € für 2010 herabgesetzt und die Festsetzung von Nachzahlungszinsen aufgehoben wird; (2)
die Revision des FA zurückzuweisen.
16Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
17Das FG sei zu Unrecht von der Uneinbringlichkeit der Umsatzsteuer ausgegangen.
18II. Die Revision der Klägerin ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und
zur Änderung der Zinsbescheide, soweit das FA Zinsen auch auf den Differenzbetrag erhoben
hat, der sich bei Berechnung der Umsatzsteuer aufgrund der vom FA angenommenen
Bemessungsgrundlage in Höhe der vollen von der Beigeladenen gezahlten Beträge und der um
die darin enthaltenen Umsatzsteuer reduzierten Bemessungsgrundlage ergibt (§ 126 Abs. 3
S. 1 Nr. 1 FGO) – zu 3. –. Im Übrigen ist die Revision der Klägerin unbegründet, weil das FG zu
Recht entschieden hat, dass die streitigen Umsätze der Klägerin im Inland der Umsatzsteuer
unterliegen (zu 1.).
19Die Revision des FA ist unbegründet und wird deshalb zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 FGO).
Im Ergebnis hat das FG zu Recht entschieden, dass die Bemessungsgrundlage durch
Herausrechnen der Umsatzsteuer aus den von der Beigeladenen gezahlten Beträgen
festzusetzen ist (zu 2.).
Nach dem Leistungsort richtet sich die Steuerbarkeit
201. Die streitigen Umsätze der Klägerin sind im Inland steuerbar, weil sich der Ort der
Lieferungen der Klägerin an die Beigeladene nach § 3 Abs. 7 S. 1 UStG und nicht nach § 3
Abs. 6 UStG bestimmt. Da das Umsatzsteuerrecht kein Sonderrecht für Konsignationslager
kennt, richtet sich die Bestimmung des Leistungsorts nach den allgemeinen Grundsätzen
(Böttner UR 2010, 299, 302).
Voraussetzung des § 3 Abs. 6 S. 1 UStG
21a) Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom
Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung
gemäß § 3 Abs. 6 S. 1 UStG dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den
Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Wird der Gegenstand der Lieferung
nicht befördert oder versendet, wird die Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur
Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet (§ 3 Abs. 7 S. 1 UStG).
22b) Diese Regelungen beruhen unionsrechtlich auf Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und Buchst. b der
Sechsten Richtlinie 77/388/EWG (ab 1.1.2007 Art. 31, 32 MwStSystRL).
Feststehen des Abnehmers im Zeitpunkt der Versendung
23c) § 3 Abs. 6 UStG setzt eine Versendung an den Abnehmer voraus. Dieser muss daher im
Zeitpunkt der Versendung feststehen (zur näheren Begründung s. BFH v. 20.10.2016 – V R
31/15, DStR 2017, 147 mAnm Heuermann, zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehen; v.
6.12.2007 – V R 24/05, BFHE 219, 476, BStBl. II 2009, 490 = DStRE 2008, 372 Rn. 44; v.
30.7.2008 – XI R 67/07, BFHE 222, 138, BStBl. II 2009, 552 = DStR 2008, 2160 mAnm CH
Rn. 13; wohl auch v. 25.2.2015 – XI R 15/14, BFHE 249, 343 = DStR 2015, 748 Rn. 56 f.; -
Birkenfeld in Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch I, Rn. 864; Flückiger in
Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG, § 3 Abs. 6 Rn. 48; Hahn in Weymüller, UStG, 2015, § 3
Rn. 332.1, 341, 342; Heuermann in Sölch/Ringleb, UStG, § 3 Rn. 459, 474; Lippross,
Umsatzsteuer, 188; Michl in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 3 Rn. 118; Nieskens in
Rau/Dürrwächter, UStG, § 3 Rn. 3430 ff.; Schilcher in Hartmann/Metzenmacher, § 3 Abs. 6
Rn. 40; ebenso Abschn. 1a.2 Abs. 6, Abschn. 3.1 Abs. 3 S. 5 sowie Abschn. 3.12 Abs. 3 S. 7
UStAE; aA Fritsch in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 3 Rn. 604 ff.; Reiß in
Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 13 Rn. 17 ff.; Stadie, UStG, 3. Aufl., § 3 Rn. 124 ff.; Stöcker in
Küffner/Stöcker/Zugmaier, UStG, § 3 Rn. 587 ff.; Frye UR 2013, 889; Hummel UR 2007, 757).
Maßgebend für das Feststehen des Abnehmers ist ein verbindlicher Kaufvertrag
24d) Nach diesen Grundsätzen befand sich der Ort der streitigen Lieferungen am Ort des
Konsignationslagers im Inland, weil bei Versendung der Waren der Abnehmer noch nicht
feststand. Erst mit der Entnahme der Waren aus dem Konsignationslager war sicher, dass die
Beigeladene die Gegenstände behalten werde und bereit war, hierfür den Kaufpreis zu
entrichten. Nach den zwischen der Klägerin und der Beigeladenen in dem CDA getroffenen
Regelungen wurde ein verbindlicher Kaufvertrag zwischen den Vertragsbeteiligten erst nach der
Einlagerung der Waren geschlossen, weil die Beigeladene nicht von vornherein dazu verpflichtet
war, die von der Klägerin in das Lager verbrachten Waren abzunehmen. Die Beigeladene war
auch erst nach der Entnahme der Waren aus dem Konsignationslager zur Zahlung verpflichtet
(vgl. hierzu BFH in BFHE 219, 476, BStBl. II 2009, 490 = DStRE 2008, 372 Rn. 47).
Wenn verbindlicher Vertrag nach Einlagerung geschlossen wurde, ist das Lager der
Ort der warenbewegten Lieferung
25Die Einlagerung in das Konsignationslager der Beigeladenen führte deshalb nicht lediglich zu
einer nur kurzen Unterbrechung der begonnenen Versendung an den bereits feststehenden
Abnehmer (vgl. hierzu BFH v. 20.10.2016 – V R 31/15, DStR 2017, 147 mAnm Heuermann;
EuGH X v. 18.11.2010 – C-84/09, EU:C:2010:693 = BeckRS 2010, 28711 Rn. 33).
262. Das FG hat im Ergebnis auch zu Recht entschieden, dass die von der Klägerin zugrunde
zu legende Bemessungsgrundlage durch Herausrechnen der Umsatzsteuer aus den von der
Beigeladenen gezahlten Beträgen zu ermitteln ist.
Herausrechnen der USt
27Das ist allerdings – im Gegensatz zu der vom FG vertretenen Auffassung – nicht auf eine
(teilweise) Uneinbringlichkeit des Entgeltes gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zurückzuführen.
Denn für Umsätze, die ein Steuerpflichtiger in seinen Steuererklärungen nicht angibt – auch bei
Rechtsirrtum über deren Steuerbarkeit –, entsteht die Umsatzsteuer ebenso wie bei
ordnungsgemäß erklärten Umsätzen (BFH v. 20.1.1997 – V R 28/95, BFHE 183, 353, BStBl. II
1997, 716 = DStRE 1997, 1022 Rn. 24). Auch bei einem Rechtsirrtum über die Steuerbarkeit von
Lieferungen und sonstigen Leistungen wird der Umsatz gemäß § 10 Abs. 1 S. 1
UStG nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet,
um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 S. 2 UStG). Das
gilt auch, wenn die Beteiligten rechtsirrtümlich die Gegenleistung ohne Umsatzsteuer
vereinbaren. Der vereinbarte Betrag ist danach in Entgelt und darauf entfallende Umsatzsteuer
aufzuteilen (vgl. BFH v. 22.4.2015 – XI R 43/11, BFHE 249, 315, BStBl. II 2015, 755 = DStRE
2015, 941 Rn. 37; in BFHE 183, 353, BStBl. II 1997, 716 = DStRE 1997, 1022, unter II.2.d).
283. Das FG verletzt aber § 233a Abs. 5 AO, indem es die Festsetzung von
Nachzahlungszinsen bestätigt hat.
Zinsen folgen der steuerlichen Hauptforderung
29a) Obwohl gemäß § 233a Abs. 4 AO die Festsetzung von Zinsen mit der Steuerfestsetzung
verbunden werden soll, bleiben Zinsfestsetzung und Steuerfestsetzung eigenständige Bescheide
(BFH v. 23.12.2002 – IV B 13/02, BStBl. II 2003, 737 = BeckRS 2002, 25001723 Rn. 5). Das
FG hat deshalb zu Recht erkannt, dass die Frist (§ 355 Abs. 1 S. 1 AO) für den gesonderten
Einspruch gegen die Zinsfestsetzung im Zeitpunkt der Einlegung des Einspruchs am 22.3.2012
abgelaufen war. Die am 6.1.2012 per Post an eine ausländische Anschrift übermittelten
Zinsbescheide galten gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 2 AO am 6.2.2012 als bekannt gegeben. Die
Einspruchsfrist war daher gemäß § 54 Abs. 2 FGO iVm § 222 Abs. 1 und 2 ZPO, § 187 Abs. 1, §
188 Abs. 2 BGB am 6.3.2012 (Dienstag) abgelaufen.
30b) Das FG hat allerdings verkannt, dass Zinsen als steuerliche Nebenleistung grundsätzlich
das Schicksal der ihnen zugrunde liegenden Hauptforderung teilen (Heuermann in H/H/Sp, AO,
§ 233a Rn. 66). Aus diesem Grund ist gemäß § 233a Abs. 5 AO die bisherige Zinsfestsetzung
zu ändern, wenn die Steuerfestsetzung aufgehoben, geändert oder nach § 129 AO berichtigt
wird. Ohne Belang ist, auf welcher Rechtsgrundlage die Aufhebung, Änderung oder
Berichtigung beruht. Erfasst sind deshalb auch Änderungen und Aufhebungen im
Rechtsbehelfsverfahren und im finanzgerichtlichen Verfahren, soweit das Gericht in der Sache
selbst entscheidet (Loose in Tipke/Kruse, AO, § 233a Rn. 50, 51). Das FG hätte deshalb aus
seiner Sicht entsprechend der Herabsetzung der Umsatzsteuer auch die Zinsfestsetzung ändern
müssen.
314. Die Übertragung der Berechnung der Nachzahlungszinsen auf das FA beruht auf § 100
Abs. 2 S. 2, § 121 FGO.
325. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1, § 136 Abs. 1 FGO.
Anmerkung:
Dies ist die zweite Konsignationslager-Entscheidung des V. Senats. Grundlegend für die
Auslegung des § 3 Abs. 6 S. 1 UStG ist das Urteil des Senats v. 20.10.2016 – V R 31/15, DStR
2017, 147. Wenn danach für die Ortsbestimmung des § 3 Abs. 6 S. 1 UStG der Abnehmer bei
Beginn der Beförderungen feststehen muss, so wird diese Voraussetzung durch dieses
Konsignation-II-Urteil konkretisiert. Es muss ein Rechtsverhältnis vorliegen, aufgrund dessen
der Lieferer dem Abnehmer die Ware übergeben muss. Das wird regelmäßig ein Kaufvertrag
sein. Also reicht zB ein bloßer Rahmenvertrag nicht aus, wenn daraus keine Verpflichtung folgt,
dem Abnehmer an dem eingelagerten Gegenstand die Verfügungsmacht zu verschaffen.
Prof. Dr. Bernd Heuermann, VorsRiBFH